Aktualisierung vom 21.09.2012
Voraussichtlich am 26. September 2012 will der Sächsische Landtag eine Novelle des Sächsischen Hochschulgesetzes verabschieden. Die geplante Änderung schwächt die Stellung des wissenschaftlichen Nachwuchses, kann aktuell laufende Promotionen behindern und schadet dem Wissenschaftsstandort Deutschland.
Zukünftig sollen in Sachsen Juniorprofessorinnen und -professoren nicht mehr wie bisher mit gleichen Rechten wie die übrigen Professuren Promotionen betreuen dürfen. Als Gutachter müssen künftig zwingend W2/W3/C3/C4-Professoren oder -Professorinnen aus Sachsen beteiligt sein.
Vorkehrungen für laufende Promotionsverfahren werden nicht getroffen. Es ist völlig unklar, was im Falle von Betreuungen durch nichtsächsische Professorinnen geschieht oder wie mit Doktorandinnen und Doktoranden verfahren werden soll, die von Juniorprofessoren als Gutachtern betreut werden.
Ursprüngliche Pressemitteilung vom 29.08.2012
Am 9. September 2012 will der Wissenschaftsausschuss des Sächsischen Landtages abschließend die aktuelle Novelle des Sächsischen Hoch- schulgesetzes beraten. Sie soll wenig später im Landtag verabschiedet werden. Zukünftig sollen in Sachsen Juniorprofessorinnen und -professoren nicht mehr wie bisher mit gleichen Rechten wie die übrigen Professuren Promotionen betreuen dürfen. Als Gutachter müssen künftig zwingend W2/W3/C3/C4-Professoren oder -Professorinnen aus Sachsen beteiligt sein.
Als Grund für den Änderungsvorschlag gibt die Regierung in Dresden an, dass sie die Qualität des Promotionsverfahrens sichern will.
Diese Begründung ist absurd. Wo – wie in den bislang bekannt gewordenen Plagiatsfällen – die Qualitätssicherung versagt hat, haben ausschließlich W2/W3/C3/C4-Professorinnen und -Professoren Gutachten vorgelegt. Ausgerechnet die jüngeren, verantwortlich tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohne Anlass unter den Generalverdacht zu stellen, durch ihre Beteiligung die Qualität von Promotionen zu gefährden, zeigt deutlich, dass die Sächsische Staatsregierung die Gründe für die bisherigen Qualitätsprobleme alles andere als stringent und umsichtig analysiert hat.
Die Ursache für die Fehleranfälligkeit einiger Promotionsverfahren ist eher in der hohen Belastung aller Hochschullehrerinnen und -lehrer zu sehen. Hier entspannt die Juniorprofessur die Lage erheblich, weil sie die Zahl der Professuren insgesamt erhöht hat.
Das Gesetzesvorhaben ist zudem gefährlich, weil es dem Wissenschafts- standort Deutschland schadet. Denn der Landtag plant, den sogenannten wissenschaftlichen Nachwuchs in Sachsen in seiner eigenständigen Forschung zu behindern und jüngere positive Entwicklungen zurück- zunehmen. Die Juniorprofessur wurde 2002 eingeführt, um jüngeren Forschenden zu ermöglichen, sich schon früher als bislang – mit den gleichen Rechten und Pflichten wie denjenigen jeder anderen Professur – an den Hochschulen zu beweisen. Es wurden neben den Juniorprofessuren auch andere neue Personalkategorien eingeführt: die Nachwuchsgruppen (zum Beispiel Emmy-Noether-Programm der DFG, Dilthey-Fellowships der Volkswagenstiftung). Den Leiterinnen und Leitern dieser Nachwuchs- gruppen wird – trotz des fehlenden Status einer Professur – dieselbe Ver- antwortung und Freiheit überlassen wie den Hochschullehrern und -lehrerinnen. Die Betreuung von Promotionen ist in allen Disziplinen eng mit dem Recht zum selbständigen Gestalten der eigenen Forschung verbunden.
Während an den meisten Hochschulen die Tendenz dazu besteht, auch Nachwuchsgruppenleitern und -leiterinnen das Promotionsrecht zu gewähren, geht das Land Sachsen mit der Novelle nach und nach wieder dazu über, die selbständige Forschung an Universitäten und die Betreuung von Promotionen auf nur den kleinen Kreis der W2/W3/C3/C4- Professoren und -Professorinnen zu beschränken. Erstmals soll in Forschung und Lehre für W2/W3/C3/C4-Professuren ein anderes Recht als für W1-Juniorprofessuren gelten – selbst wenn im aktuellen Entwurf die Beteiligung von Juniorprofessorinnen und -professoren an Promotions- verfahren noch erlaubt bleibt.
Zum Hintergrund
Nur in wenigen anderen westlichen Ländern nimmt sich die Zahl der Lebenszeitprofessuren mit dem vollen Recht zu selbständiger Forschung im Vergleich zu allen wissenschaftlichen Beschäftigten so klein aus, wie dies in Deutschland der Fall ist. In Deutschland sind nur etwa 12% der Beschäftig- ten zu selbständiger Forschung und Lehre berechtigt (in den USA dagegen ca. 66%). Eine Professur ohne Befristung wird hier im Durchschnitt mit 41 Jahren angetreten. Bis dahin sind befristete und weisungsabhängige Tätigkeiten die Regel. Nur ein kleiner Teil der jüngeren Beschäftigten kann – statistisch offensichtlich – an den Hochschulen verbleiben. Die Einfüh- rung von Juniorprofessuren und Nachwuchsgruppen bildet den Versuch, bereits etwas früher und auch etwas jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (Durchschnittsalter ca. 35 Jahre) die Möglichkeit zu selbständiger Forschung an den Hochschulen zu gewähren.
Kontakt für Rückfragen
Tobias Potthoff <tobias.potthoff@juniorprofessur.org>