Die Deutsche Gesellschaft Juniorprofessur (DGJ) begrüßt den Stellenwert, den Wissenschaft und wissenschaftliche Karrierewege im vorgelegten Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP haben. Die dort formulierten Punkte zeigen deutlich, dass der Handlungsbedarf erkannt wurde und eine Verbesserung der derzeitigen Lage angestrebt wird. Der Koalitionsvertrag nennt hier neben der Ausweitung des Tenure-Track-Programms die Schaffung von „Dauerstellen für Daueraufgaben“ sowie die Verstetigung des Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken.
Offene Fragen sieht die DGJ hinsichtlich der Vereinbarkeit der einzelnen Aspekte. So wird die Effektivität der getroffenen Maßnahmen entscheidend davon abhängen, wie diese zusammenwirken. Um die Planbarkeit wissenschaftlicher Karrierewege zu erhöhen, ist es notwendig, dass die einzelnen Optionen aufeinander abgestimmt sind und die Übergänge zwischen ihnen sinnvoll ausgestaltet werden. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis von Dauerstellen neben der Professur zu Tenure-Track-Professuren, die zwei verschiedene Lösungswege darstellen. Eine parallele Existenz dieser Wege bietet einerseits Chancen, geht aber andererseits auch mit dem Risiko einher, dass sich die Karriereoptionen für Einzelne verengen, weil der von diesen gewählte Weg nicht mit den später zur Verfügung stehenden Optionen übereinstimmt.
Weiterhin sehen wir die Notwendigkeit zur Klärung von Einzelaspekten in Bezug auf einzelne Karriereoptionen. Die Schaffung von Dauerstellen jenseits der Professur geht augenblicklich vorrangig mit Hochdeputatsstellen mit Schwerpunkt in der Lehre von 16 oder mehr Semesterwochenstunden einher. Die Ausweitung dieser Stellen, auf denen kein nennenswerter Anteil eigenständiger Forschung mehr stattfinden kann, bedeutet eine Gefahr für die Einheit von Forschung und Lehre und kann den Unterschied zwischen Schulunterricht und Hochschulstudium verwischen. Dieser Gefahr gilt es bei zukünftigen Reformbestrebungen vorzubeugen.
In Bezug auf die Ausweitung des Tenure Track ist berücksichtigen, dass Juniorprofessor*innen ihren Kolleg*innen auf dauerhaften W2- und W3-Professuren in der Praxis wegen der noch ausstehenden Evaluationsverfahren oft nicht gleichgestellt sind und entsprechend nicht die nötige Eigenständigkeit in Forschung und Lehre haben. Die DGJ sieht einen Konflikt angesichts der Tatsache, dass manche Tenure-Track-Professuren mit dem Einstiegsniveau W1 beginnen, andere mit dem Einstiegsniveau W2. Hier hat sich das bislang ungelöste Problem aufgetan, dass – im klaren Gegensatz zum Ziel des Bundesprogramms – nach den meisten Länder-Hochschulgesetzen, die die Grundlage der Berufung bilden, die Habilitation oder habilitationsäquivalente Leistungen vorausgesetzt wird. Um die Generationengerechtigkeit zu wahren, darf es nicht zu einer einseitigen Bevorzugung einer bestimmten Gruppe kommen; auch muss sichergestellt werden, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiterhin Stellen für dann nachrückenden Wissenschaftler*innen vorhanden sind.
Wichtig ist eine ausreichende Grundfinanzierung der Hochschulen als Basis verlässlicher Stellenplanung. Hier muss dem Risiko vorgebeugt werden, dass sich einzelne Bundesländer angesichts von Bundesgeldern aus der Finanzierung zurückziehen, wie dies in der Vergangenheit stellenweise der Fall war. Auch ist die Unabhängigkeit der Wissenschaft nur zu sichern, wenn sich das Ausmaß der Drittmittelfinanzierung und die Zahl der inhaltlich von Geldgebern bestimmten Stiftungsprofessuren im Rahmen halten.
Die DGJ weist die neue Regierung außerdem nachdrücklich darauf hin, dass in der Praxis bei der Vergabe von Professuren Parallel- und Weiterbewerbungen zum Zweck der Nachverhandlung an der eigenen Universität üblich sind, Berufungslisten also häufig von Kandidat*innen blockiert werden, die gar nicht für die ausgeschriebene Stelle zur Verfügung stehen. Dies wirkt sich gleichfalls nachteilig auf die Perspektiven der noch nicht berufenen Bewerber*innen aus.